Jagdliches Brauchtum

Ein schöner Jagdtag war vorüber. Der klare Herbstabend senkt sich auf Berge und Wälder. Es wurde reichlich Wild gesehen und viel erlegt. Das letzte Treiben war zu Ende. Im kleinen Tal kamen alle Schützen und Treiber zusammen. Die Strecke war schon gelegt. Da erklingen die Totsignale für das gestreckte Wild und die schönsten aller Jagdsignale, das feierliche „Jagd vorbei!“ und das „Halali“. Der Jagdherr erhebt die Hand: „Weidmannsdank, meine Herren!“ Auch der rauheste Geselle konnte sich nicht ganz dem Zauber dieses Augenblicks verschließen. In allen klang etwas nach von dieser Stimmung, über das bevorstehende und fröhliche Schüsseltreiben hinaus und noch weit in den Alltag hinein. Erinnerst du dich nicht gern solcher unvergeßlichen Augenblicke, lieber Waidgenosse?
Möchtest du sie nicht herbeiführen und wiederholen können auch auf deiner Jagd? Was war es eigentlich, das diese Stimmung hervorrief und vertiefte, das nicht daraus wegzudenken wäre? Es ist das Hornsignal, das Gipfel und Krönung dieses Jagdtages war.
Warum ist das Jagdhornblasen mit seiner Schönheit und seinem Wert viele Jahre so vernachlässigt worden? Vergessen sind die alten Zeiten, in denen das Horn dem Ritter so heilig und unverletzlich galt wie sein Schwert. Wo ein frevelnder Griff nach dem Horn von fremder Hand als eine Kränkung empfunden wurde, die nur mit Blut zu sühnen war. Selbst bei der Grünen Farbe, die diesen Schatz fast allein noch hütete, waren die Bläser weniger geworden. Nur einzelne Jagdherren pflegten die alte Kunst so, wie sie es verdient.
Das ist in den letzten Jahrzehnten anders geworden. Vielenorts hat man sich wieder zur praktischen Anwendung des Jagdhornblasens bekehrt, angeregt durch die Forstschulen, die Kreisgruppen- und Jagdvereinsvorsitzenden oder Vorsitzenden der im Deutschen Jagdverband zusammengeschlossenen Verbände oder sonstige dem alten Brauchtum aufgeschlossenen Jäger.
Mögen manche die eigentlichen Jagdsignale für etwas Belangloses halten, sie sind doch ein wahres Kleinod, das uns die Jägerschaft vergangener Zeiten hinterlassen hat. Sie melden Beginn und Ende der Jagd oder leiten einzelne Jagdhandlungen ein aber auch die verschiedenen Weisen des Totrufs. Es ist vielleicht der edelste Zug im Gemüt des deutschen Jägers, der Wunsch, das erlegte Wild zu ehren und der seinen Ausdruck im Verbot findet, über die Strecke (das erlegte Wild) zu treten und im Bruch auch für das Wild sowie dem „letzten Bissen“, und im Verblasen, dem letzten Gruß.
Schön sind sie alle, diese Rufe. Vom jubelnden „Hirsch tot!“ über das neckisch frische „Fuchs tot!“ bis zum „Flugwild tot!“, vom „Wecken“ am frühen Morgen bis zu dem in Form und Bedeutung so angenehmen Signal „Zum Essen!“. Und dieser Reichtum besteht nur aus fünf Tönen! Es ist schon erstaunlich, wieviel musikalische Schönheit und Eigenart mit diesen fünf Tönen geschaffen worden ist. Aber diese Rufe klingen nicht nur schön, besonders im Echo des Waldes, sie sind auch von sehr praktischem Nutzen. Ihre Verschiedenheit und ausdrucksvolle Klarheit reden eine deutliche Sprache.
Zwei Arten von heute gebräuchlichen Jagdhörnern sind grundsätzlich zu unterscheiden. Das große Parforce-Jagdhord, dessen Klang von wunderbarer Farbe, warm und blühend ist, und das kleine Jagdhorn, das nach seinem Schöpfer Herzog Hans Heinrich XI. von Pleß auch Pleßhorn genannt wird. Das Parforce-Jagdhorn ist ein großes, über die Schulter getragenes Horn, das wegen seiner Größe und seines Gewichts (Durchmesser etwa 50 cm, Gewicht: 1 bis 1,5 kg) für die Jagd nicht verwendbar ist. Das Pleßhorn dagegen ist leicht und handlich.